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Bauliches Erbe

Schon bei der Wahl der Überschrift fällt es schwer, das Thema adäquat zu definieren. Es geht um die fast ausschließlich privaten zivilen Gebäude um und in Salalah  wie sie um 1970 als authentisch und noch dominierend zu sehen waren. Damals wie heute - soweit noch existent - empfinden Besucher sie als historisch und sehenswert. Sie sind ein kulturelles Erbe, das von der einheimischen Bevölkerung jedoch zwiespältig gesehen wird. Es ist verbunden mit der Erinnerung an armselige Wohnverhältnisse, in denen große Gruppen von Herrschenden, Dienenden, Marginalen und Sklaven, Männer, Frauen und Kinder neben- und miteinander, freiwillig oder unter Zwang hinter einem Tor lebten. Öffentliche Gebäude spielen im alten Salalah keine Rolle, da die Moscheen längst modernisiert wurden und das alte Al-Husn Fort schon vielfach als Palast erneuert wurde. Andere gibt es nicht. Lediglich in Taqah und Mirbat existieren noch solche Befestigungsanlagen.

Herausragend sind die großen dreigeschossigen Häuser der Händler mit ihren erdgeschossigen Lagerräumen. Diese häufig leerstehenden Gebäude sind besonders gefährdet, da genügend Wohlstand vorhanden war, um in den letzten 50 Jahren in moderne Betonbauten umzuziehen. Aber auch Stolz, sie nicht gleich abzureißen oder an billige ausländische Arbeitskräfte zu vermieten. Dieses Schicksal erlebte die große Masse der ein- und zweigeschossigen Häuser. Schon 1981 als ich Häuser von innen kennenlernte, waren nur noch wenige omanische Familien hier sesshaft. Der Heritage Management Plan von 2016 beschreibt eine Verfestigung dieser Entwicklung.

Die Gebäude sind durch ihren großen konstruktiven Anteil an lokalem Holz und dem wasserempfindlichen Putz- und Mauermörtel ständigem Verfall ausgesetzt, beziehungsweise müssen laufend repariert werden. Sie sind auch Dauerbaustellen, da sie von Anbeginn an den sich verändernden Anforderung der Bewohner angepasst wurden. Jede Generation versuchte weitere Räume hinzuzufügen. Baumaterial  - auch die traditionellen Blöcke aus Muschelkalk - lagert in fast jedem Hof oder vor dem Haus.

Allan Cain, Farroukh Afshar, John Norton, berichten 1975 in 'OMAN the problems and potentials of the indigenous built environment in a developing country' über die vorgefundene Architektur und Bautechnik und machen Vorschläge für deren weitere Entwicklung. Dieser Bericht war offenbar den zeitgleich arbeitenden Planern von Sir Halcrow and Partners nicht bekannt.

PanoramaNoch sind keine mehrgeschossigen Betonhäuser sichtbar. Die Gebäude weisen schon eine Dekoration mit dunklen horizontalen Bändern auf.

So lange die Häuser bewirtschaftet wurden und in der Mehrzahl waren, mag der erste Ansatz der Planer, Handreichung zur Verschönerung anzubieten, verständlich sein.

halcrow-finishing-detailsSir William Halcrow and Partners verbanden mit ihrem 'Salalah Town Plan', 1975, ein Handbuch mit 'methods of improving the external appearance of existing buildings'

 

Verschönerung 1980erEin millionenschweres Programm Anfang der 1980er Jahre sorgte für eine oberflächliche Verschönerung, die optisch eher an mediterrane Bilder erinnert. Welche Institutionen dahinter standen, ist mir nicht bekannt.

Meine Hoffnungen, dass die Altstadtbereiche noch eine Zukunft erleben, waren nach meiner Abreise aus Oman sehr gering. 

Erst jetzt fand ich zu meiner großen Freude im Internet die Veröffentlichung Salalah al-Wusta & Gharbiya: Dhofar Governorate. Documentation and Heritage Management Plan; Published on Nov 16, 2017; Soumyen Bandyopadhyay. Die Altstadt existiert noch und genießt Aufmerksamkeit! Aber welcher Zustand!

alt und neuSchon 1986! Mit welcher städtebaulichen Strategie wird man dieses Desaster lösen?

Abgesehen von Straßenbau und Bebauung der letzten Gärten ist keine Entwicklung erkennbar. Liest man das Kapitel 'Principles & Approaches to Heritage Management' so  findet man unter den Vorschlägen alle gängigen Maßnahmen, die fachlich geboten und dringend sind. Ganz im Vordergrund der Planung steht aber die Idee einer Entwicklung für den Tourismus. Zu Recht wird die Option genannt, die jetzige vorherrschende Nutzung durch Arbeitsmigranten aufzuwerten.

Zu wenig wird meines Erachtens auf die Öffentlichkeitsarbeit oder gar Öffentlichkeits- und Betroffenen­betei­ligung eingegangen. Zudem befürchte ich, dass dieser Plan in den Schubladen der Verwaltung verschwindet. 2017 wurde er erstellt und 5 Jahre später findet sich noch kein Hinweis hierauf auf den Webseiten der Verwaltung. 

Dass eine touristische Entwicklung problematisch sein kann, scheint mir bei der Al-Haffa Entwicklung sichtbar zu sein. Bis auf historische Gebäude (1970 und älter) wurde der gesamte Stadtteil südlich der Sultan-Qaboos-Straße 2015/2016 plattgemacht (siehe Google Earth Pro). Die historischen Gebäude sind unbewohnt und hinter einem Bauzaun versteckt. Pläne und positive Resultate sind bis heute nicht erkennbar.  Auf der Web-Seite eines Planungsbüros für internationale touristische Großprojekte findet man eine Projetktbeschreibung, deren Relevanz mir jedoch nicht klar ist. Auf internationalen Seiten finden sich kritische Stimmen.

Das ultimative Ziel einer erhaltenden und revitalisierenden Planung müsste die Entwicklung zu einer lebendigen Mischnutzung mit hohem Anteil an Wohnnutzung durch Omanis sein. Diese Entwicklung müsste aber zunächst in den Köpfen der Öffentlichkeit, der Eigentümer und möglichen Nutzer hin zu einer gesteigerten Wertschätzung stattfinden, aber auch in einer umfassenden institutionellen Unterstützung. Völlig richtig daher die genannten 'Prioritären Maßnahmen', die eine positive Annäherung in der Öffentlichkeit durch einen besseres Erscheinungsbild möglich machen.

Dann aber muss auch an jedes Haus ein Bronzeschild geschraubt werden, auf dem die Geschichte und Bedeutung des Bauwerks genannt und bewusst gemacht wird. Gebäude sind schließlich nur Hüllen für das Leben von Menschen. Und jeder erfolgreiche Versuch der Restauration und Entwicklung muss eine staatliche und/oder privat finanzierte Prämie und lauten Applaus erhalten. Dazu gehört auch die Sicherstellung der kleinen Dinge (Fenster, Tore, Baustoffe). Der Staat, am besten auch die Kommune,  muss sich hier mit nachhaltiger Kontrolle, aber auch Sachverstand (Baustoff-, Bautechnikforschung) engagieren. 

Im Verhältnis zu der Gesamtstadt stellen die Altstadtbereiche nur einen winzigen Teil dar, jedoch in zentraler Lage. Um ein Überdauern des Bestandes zu gewährleisten wird man wohl in Kauf nehmen müssen, dass er zu einer Art Freilichtmuseum entwickelt wird.

Ein kleiner Vorschlag: Mehr digitale Medien nutzen. Vielleicht ein Blog, auf dem zu jedem Haus Nutzer Ihre Geschichten oder Kenntnisse beitragen können. Mit Seiten mit alten Fotos und Luftbildern, zu Plänen der Entwicklung,  Immobilienvermittlung für nachhaltige Investoren, Fördervereine, Stiftungen, virtuelle aber auch reale Musterhäuser.